Hallo, liebe Lia,
es freut mich sehr, dass Du schon so viele positive Dinge aus Deiner Nüchternheit rausziehen kannst.Bei mir sind es jetzt 9 Wochen und auch mir kommt es schon länger vor. Ich denke, man kann nicht sagen, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.
Ich bin auch dankbar, nicht mehr trinken zu müssen und wieder frei über meinen Tag entscheiden zu können, auch wenn ich mir eine Depression angesoffen habe, die das Ganze ein wenig trübt. Aber da muss ich jetzt durch, denn alles ist besser, als wieder in dem Teufelskreis der Sucht gefangen zu sein.
Ich habe zu meinem Vater keinen Kontakt mehr, da es mich zu sehr belastet und triggert, wenn er betrunken ist. Außerdem bringt meine Hilfe ja eh nichts, denn er sieht sich ja noch nicht einmal als Alkoholiker. Trotz Kontaktabbruch belastet mich die Situation, weil ich jeden Tag an ihn denke und Angst habe, dass ihm was passieren könnte oder er wieder versucht sich umzubringen. Einfach nur furchtbar. Du hast ja dieses Drama mit Deinem Vater erlebt und verstehst mich sicher. Ich versuche halt, so gut es nur geht, dieses Thema beiseite zu schieben. Allein beim Schreiben geht es mir schon wieder schlecht.
Mein Partner ist sehr froh, dass ich nicht mehr trinke, hat aber Angst, dass es wieder nur eine Trinkpause sein könnte. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich voller Überzeugung verkündet habe, nie wieder zu trinken. Er merkt aber, dass ich mich jetzt ernsthaft mit mir und meiner Krankheit auseinandersetze und das beruhigt ihn etwas. Er hat den Glauben an mich noch nicht verloren - ich denke, er glaubt sogar mehr an mich als ich an mich selbst. Ich brauche noch Zeit, um mir selbst wieder trauen zu können.
Kreative Arbeit macht Spaß und tut der Seele gut.
Ich habe wieder mit dem Klavierspiel angefangen - macht mir Freude.
Ich wünsche Dir auch einen schönen Tag, liebe Lia, und ein tolles Treffen mit Deiner Tochter und Deinem Enkel.
LG
Carmen