Ein interessantes Thema, womit ich mich auch in meiner ehemaligen realen Gruppe intensiv mit auseinander gesetzt habe, auch in der Form von vielen Gesprächen mit betroffenen Senioren.
Dadurch, das meine reale Gruppe etwas "überaltert"

war, gab es somit auch viele Alkoholiker im fortgeschrittenen Alter.
Feldmaus fragte:
Ist denn die Mehrheit dieser Menschen erst im Alter zum Alkoholiker geworden wegen Einsamkeit etc...? Oder handelt es sich um alt gewordene Alkoholiker...?
Da gibt es keine allgemeingültige Antwort. Einige sind tatsächlich durch Einsamkeit (Tod des Partners beispielsweise oder auch andere Schicksalsschläge) über den Alkoholmissbrauch in die Sucht gerutscht.
Andere waren "alt gewordene Alkoholiker", die sich aber das oftmals erst sehr spät eingestanden haben.
Meist erst, als es deutliche körperliche Beschwerden gab, die auf den jahrzehntelangen Suff zurückzuführen waren.
Dabei handelte es sich aber kaum um Menschen, die ewig besoffen und dadurch komatös inner Ecke lagen, sondern um jahrzehntelang gut funktionierende Alkoholiker.
Da wurde oft gesellig getrunken (Kegelverein, Skatabend, Kaffeekränzchen, Schützenverein etc.), keine Feier war ohne Alk, das war undenkbar. Auch zuhause wurde oft täglich Wein zum Essen getrunken, nachmittags dann wieder irgendwas und abends Schlummertrünke etc.
Es war einfach "normal", jeden Tag Alkohol zu konsumieren, dadurch ist man doch kein Alkoholiker!
Die bittere Erkenntnis kam dann aber doch irgendwann, meist angestoßen von außen (Arzt, Partner, Kinder).
Ernest fragte
Was ist schlimm, wenn Senioren alle Tage Alkohol trinken bzw. Alkoholiker sind? Sie trinken ihr Quantum und dösen in den Tag hinein oder hocken am Stammtisch/Kaffeekränzchen. Die Arbeitswelt ist für sie abgeschlossen, der Rubel rollt in Form von Rente/Ersparten und sie trinken sich selten ins "Komma". Lasst sie doch, wenn sie diese Lethargie oder eine Alkoholgesellschaft wünschen.
Naja, was heißt "schlimm", sie tun ja nix verbotenes.
Bei den Menschen, die ich kenne und die im Seniorenalter doch noch aus der Sauferei ausstiegen, wurden in fast allen Fällen jäh aus der Lethargie gerissen, oft vom Arzt aus oder auch durch eine KH-Einlieferung, wo die Sucht nicht lange vorborgen blieb durch Entzugssymptome.
Oder auch von den eigenen Kindern, indem sie die Enkelkinder entzogen, weil es nun mal unzumutbar ist, der besoffenen Oma (oder Opa) die Enkelkinder anzuvertrauen.
Sowas tut dann schon richtig weh und ruft nicht bei jedem nur Empörung hervor, sondern der ein oder andere kommt da auch mal ins Nachdenken.
Und dann werden mitunter auch Entscheidungen getroffen und endlich eine SHG aufgesucht, um sich helfen zu lassen.
Das habe ich persönlich so miterlebt oder habe es mir von Betroffenen schildern lassen, die schon länger in der SHG waren.
Anderseits ist es nicht die Aufgabe der Gesellschaft/Familie in irgendeiner Form diese Menschen aufzurütteln? Wie können sie erreicht und motiviert werden, sich wieder aktiv am Leben zu beteiligen?
Die "Aufgabe"? Hm, weiß nicht.
Ich denke, bei Senioren kann die Familie am meissten aufrütteln. Evtl. auch der Arzt ihres Vertrauens.
Wer ist denn hier mit "die Gesellschaft" gemeint, die Gesellschaft sind wir ja alle.
Oft wird ja gern nach der Gesellschaft und ihren Aufgaben gekräht, wobei aber gern ausgeblendet wird, das man selbst auch "die Gesellschaft" ist.
Wieder aktiv am Leben teilnehmen?
Hmmm, das müßte man ja erstmal selbst wollen. Das ist aber nicht bei allen Senioren der Fall.
Manche haben ihr Leben lang hart gearbeitet und mögen einfach nicht mehr so aktiv am Leben teilnehmen.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen erschweren das oft noch zusätzlich.
Alles nicht so einfach... im Alter ist nicht mehr immer ein Weg, wo ein Wille ist.
Ich merke das auch selbst schon immer mehr mit meinen 57 Jahren.
Es gibt Tage, wo es mir gesundheitlich so schlecht geht, das ich mich nur noch zurückziehen möchte und meine Ruhe haben will.
Und ich bin noch nicht mal im Rentenalter.
Mein Verständnis für die älteren Herrschaften wird immer größer, je älter ich selbst werde.
Es gibt aber auch Senioren, die wirklich noch aktiv am Leben teilnehmen wollen, ist ja auch klar und auch davon kennt jeder bestimmt welche.
Man kann das also nicht pauschal beantworten, sondern das ist sehr individuell.
Ich würde mal eher sagen, das Ziel sollte bei Senioren vielleicht eher ein
lebenswertes Leben sein, nicht unbedingt die Mega-Aktivität an allem.
Und ein Leben im Halbsuff ist in meinen Augen kein wirklich lebenswertes Leben, es ist eher ein Vegetieren, und da bei älteren Menschen noch extremer,
vielleicht sogar schon ein Warten auf den Tod, denn der Alk macht so vieles in einem kaputt und bei Senioren hatte er oft schon Jahrzehnte Zeit, sein zerstörerisches Werk zu vollbringen.
Hartmut schrieb:
Nun mag es Gründe geben, die veranlassen den Alkohol dazu missbrauchen, jedoch wird ja keiner freiwillig Alkoholiker mit der Prämisse sich zu Tode zu saufen.
Das sehe ich ebenso. Auch die älteren Herrschaften, die ich diesbezüglich kennengelernt habe, hatten nicht diesen Plan, sich totzusaufen.
Ich denke, sehr viele Menschen rutschen da einfach immer tiefer rein, ohne sich darüber überhaupt bewußt zu sein.
Und es gibt sicher auch nicht wenige, die sich ihr Leben lang nicht eingestehen, ein Alkoholproblem zu haben, obwohl es überdeutlich sichtbar ist.
Das ist eben so.
LG Sunshine